Seiten

Sonntag, 20. Oktober 2013

Große Retrospektive von Richard Artschwager! im Haus der Kunst




Richard Artschwagers Credo war ganz einfach: er wollte „unnütze Dinge“ herstellen, die dem Betrachter Vergnügen bereiten sollen. Dies ist ihm in der großen Retrospektive im Haus der Kunst wahrlich gelungen; schon das Betrachten seiner Kunst bereitet Freude: seine exakt gearbeiteten Skulpturen, die beschichteten Resopal-Oberflächen, die an die Möbel der 1950er und 1960er Jahre erinnern, die wunderbaren Klaviere, die keine sind, und seine Malereien auf Celotex-Platten (Hartfaserplatten zur Dämmung von Gebäuden und Dächern), deren spezifisches Oberflächenmuster seine meist in schwarz-weiß gehaltenen Bilder wie leicht unscharfe Aufnahmen aussehen lässt.
Richard Artschwager wurde als Sohn eines deutschstämmigen Vaters und einer russischen Mutter geboren. Im Alter von acht Jahren ging er fast ein Jahr lang in München zur Schule, da seine Mutter hier an der Kunstakademie studierte. Zeit seines Lebens pflegte er die deutsche Sprache und sprach bei jeder sich bietenden Gelegenheit deutsch. Er studierte Mathematik, Chemie und Biologie und brachte sich das Schreinern selbst bei. Seine Kunst ist in einem engen Zusammenhang zur Pop-, Minimal- und Concept-Art zu sehen, ohne jedoch eindeutig einer dieser Richtungen zugeordnet werden zu können.
Gleich im ersten Raum empfängt uns ein Kubus, der zunächst aussieht wie ein Tisch, auf dem ein weißes Tischtuch liegt; tatsächlich ist dieser jedoch nicht als Tisch zu verwenden, da die schwarzen Flächen an der Seite nur die Illusion eines leeren Raums neben den Tischbeinen vermitteln. Die Klaviere, die im nächsten Raum folgen und natürlich auch „nutzlose Gegenstände“ sind, sind eines der Highlights dieser Ausstellung: ihre unterschiedlichen Namen und Formen betonen jeweils eine besondere Eigenschaft. So verweist das Piano/Malevich äußerlich und durch seinen Namen auf die radikale Haltung des Konstruktivismus und Pianofart wohl eher auf Misstöne, die dem Klavier entschlüpfen könnten.
Die Bilder auf Celotex-Platten sind Artschwagers Markenzeichen und beinhalten z.B. die „Destruction-Serie“ – eine Bildreihe über den Abriss eines Hotels in Atlantic City – sowie Innenräume, die wie prunkvolle Kulissen wirken, die darauf warten, dass sich endlich Leben in ihnen abspielt. Artschwagers Drang, Aussagen zu betonen, auf Dinge hinzuweisen und deren Besonderheit hervorzustellen, bringt sein gelber, riesiger „Exclamation Point“ – aus Bürstenmaterial – vortrefflich zum Ausdruck. So erfand Artschwager Ende der 1960er Jahre sein eigenes Satzzeichen, das „blp“: längliche Punkte, anfänglich aus dünnem Holz gefertigt, mit denen er die Schönheit von Gegenständen, Gebäuden usw. markieren wollte, die sich außerhalb eines Museums – sozusagen im öffentlichen Raum - befanden. Mit seinen Splatter-Arbeiten – die wie zerschellte Möbel an der Wand bzw. der Raumecke aussehen - verwirklichte er seine Vorstellung eines Übergangs von der Malerei zum skulpturalen Bild. Seine Skulptur „double-dinner“, die an eine enge Sitzgelegenheit für zwei Personen mit eingebautem Tisch zwischen zwei Sitzen in den amerikanischen Diners erinnert und sein 2007 entstandenes Bild „Lunch for two“, das ihn an einem ziemlich langen Tisch mit seiner Frau zeigt, nehmen Paarbeziehungen ironisch unter die Lupe. Was möchte er uns über seine eigene Ehe sagen? Und die Tierbilder, die über seinem bzw. dem Kopf seiner Frau im Bild hängen?
Richard Artschwagers Kunst kann man mit einem Augenzwinkern genießen, sie nimmt sich selbst und das Leben nicht allzu ernst. Unbedingt empfehlenswert! Und wer den Wunsch verspürt, mit „blps“ auf  Besonderheiten im Privaten hinzuweisen, kann dies gerne tun: die blps gibt es in der Buchhaltung König als Klebefolie in zwei Größen zu kaufen.  
Die Ausstellung ist bis zum 06.01.2014 im Haus der Kunst zu sehen

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen