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Samstag, 8. Februar 2014

Die Freunde Haus der Kunst zu Besuch in der Gerhard-Richter-Ausstellung: "ATLAS MIKROMEGA" im Kunstbau des Lenbachhauss

Gerhard Richter hat in den 1960er Jahren damit begonnen, Fotografien, Farbstudien, Zeitungsausschnitte, Collagen und Skizzen, wie z.B. Vorstudien zum Kölner Domfenster, aber auch Zeichnungen und Entwürfe von Projekten, die nie realisiert wurden (z.B. die Pläne für ein Privatmuseum mit einer ständigen Werkspräsentation auf der japanischen Insel Toyoshima), auf einzelnen Tafeln nach formalen und inhaltlichen Gesichtspunkten zu ordnen. Der Atlas wurde 1996 von der Städtischen Galerie im Lenbachhaus erworben und 2013 durch weitere Tafeln ergänzt. Trotz seines ursprünglichen Entschlusses, den Atlas abzuschließen, kündigte Richter bei der Eröffnung seiner Ausstellung im Kunstbau an, dass er weitere Tafeln produzieren werde. Seine Tafeln enthalten zahlreiche Fotografien, die er malerisch umgesetzt hat: z.B. die Fotografie seiner Frau Ema, die nackt die Treppe vor seinem Atelier hinuntergeht und die Vorlage für eines seiner berühmtesten Bilder: "Ema - Akt auf einer Treppe" (1966) darstellt. Auch die fotografischen Vorlagen der berühmten Gemälde "Betty" (1988) und "Lesende" (1994), die seine Tochter Betty und seine jetzige Frau Sabine Moritz darstellen, sind in der Ausstellung zu bewundern.
Mit dem Thema Holocaust hat sich Gerhard Richter intensiv auseinandergesetzt. Der Vater seiner ersten Frau war am nationalsozialistischen Euthanasieprogramm beteiligt - seine Tante hingegen war 1945 im Rahmen ebendieses Euthanasieprogramms zu Tode gekommen. Immer wieder startete er Versuche, Hitler zu malen; entschied sich jedoch im letzten Moment dagegen, da er nicht als Hitler-Maler bekannt werden wollte. Ursprünglich plante Richter - als er 1997 gebeten wurde eine 30 Meter hohe Wand in der Westeingangshalle des Reichstags zu gestalten - vier große Bilder zum Holocaust zu präsentieren. Nach reiflicher Überlegung entschied er sich dagegen und entwickelte die Idee, ein Muster aus den Nationalfarben herzustellen. Er verwarf diese Möglichkeit jedoch auch und gestaltete die Wand schließlich mit farbemaillierten Glasplatten in schwarz, rot und golden, wobei er das Format und die Proportionen der Farbfelder bewusst von dem der deutschen Flagge absetzte.
Beim Betrachten der Tafeln erschließt sich für den Besucher auf wunderbare Weise Richters Methode des Bilderfilterns, des Findens und Verwerfens und man kann die gedankliche Entwicklung seiner Bilder Schritt für Schritt nachvollziehen. Die Ausstellung präsentiert auch neuere Arbeiten von ihm: die Vorlagen für seine Stripbilder, die entstehen, indem der Künstler Ausschnitte aus früheren abstrakten Arbeiten immer wieder bearbeitet und abstrahiert; die Hinterglasmalerei "Flow" (2013) sowie seine Installation mit zehn gekippten Glasscheiben. Für Richter selbst stellt der Atlas kein eigenständiges Kunstwerk dar: für ihn gehört er zu den vorbereitenden Arbeiten. Helmut Friedel, ehemaliger Direktor des Lenbachhauses und Kurator dieser Ausstellung, ist der gegenteiligen Auffassung. In seinen Augen weist der Atlas ein klares Konzept und eine große Ästhetik auf - die handwerkliche Ausführung stellt für ihn nicht das entscheidende Kriterium für den Kunstbegriff dar. Eine wunderbare Ausstellung, die einen tollen Einblick in das Werk und die künstlerische Vorgehensweise Gerhard Richters bietet!
Gerhard Richter: IBLAN (2009), gewebter Jacquard-Wandteppich
Die Ausstellung ist noch bis zum 9. Februar 2014 im Kunstbau des Lenbachhauses zu sehen. 

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