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Samstag, 3. Mai 2014

Die Freunde Haus der Kunst im Espace Culturel Louis Vuitton

Mark Dion: Concrete Jungle (The Birds), 1992
Die von Jens Hoffmann kuratierte Ausstellung im Espace Culturel mit dem Namen "No such Thing as History: Four Collections and One Artist", deren Titel mit einem Augenzwinkern an den Film "Vier Hochzeiten und ein Todesfall" erinnert, zeigt zeitgenössische Kunstwerke aus vier Münchner Privatsammlungen und aktuelle Fotografien der Berliner Künstlerin Annette Kelm (geboren 1975). Die Ausstellung behandelt die Frage, wie zeitgenössische Künstler in ihrer Arbeit mit dem Thema Geschichte umgehen. Anja Kaehny, die Direktorin des Münchner Espace Culturel, begrüßte die Freunde und übergab sie schließlich zwei - von Tino Sehgal ausgebildeten - "Interpreten", die die Freunde in zwei Gruppen durch die Ausstellung führten. Annette Kelm zeigt weiße Protestumhänge mit Aufschriften, die Frauenrechtlerinnen um die Feministin Hannelore Mabry in den 1970/80er Jahren auf Demonstrationen, unter anderem auch in München, trugen. Vor dem weißen Hintergrund kommt die Aufschrift auf den weißen Gewändern gut zur Geltung; die Botschaft wird vor dem puristischen Hintergrund besonders hervorgehoben. Zu sehen ist der "Coca Cola Condensation Cube" (2006) des dänischen Künstlers Tue Greenfort, der - in Anlehnung an Hans Haackes minimalistische Kondensationswürfel aus den 1960er Jahren - den Boden des Kubus mit Coca Cola aufgefüllt hat und diese in dem luftdicht abgeschlossenen Raum ihren physikalischen Prozessen überlässt. Bei "My Left Hand and My Left Hand Made to Look like My Right Hand" (2004) legt Jonathan Monk zwei übereinander liegende linke Hände aus Neonröhren zusammen, in der "Erwartung", dass sie zu einer rechten Hand verschmelzen. Darin schwingt der Wunsch der Künstler mit, nicht mit zwei linken Händen ausgestattet zu sein, aber auch die Idee von der "Hand des Künstlers", seiner persönlichen Schöpferkraft und Aura, eine Idee, die in der zeitgenössischen Kunst wohl immer mehr an Bedeutung verliert. Henrik Olesen liefert mit "Cubes" (after Sol LeWitt) im ersten Stock des Espace Culturel eine lässige Hommage an LeWitts weltbekannte Skulpturen, indem er filigrane Kuben mit Hilfe schmaler - mit Klebeband aneinander befestigte - Balken aus Styropor baut. Neben den hintereinander aufgereihten Kuben steht ein Milchkarton, der - wie zufällig liegen gelassen - die Strenge dieser Ordnung aufbricht. Der erste Stock wird von der Installation "Concrete Jungle" (The Birds, 1992) des Künstlers Mark Dion dominiert, bei der Vögel in einem großen Haufen Zivilisationsmüll picken. Der Titel erinnert an Hitcocks Film, bei dem Vögel eine Bedrohung für die Menschen darstellen - hier handelt es sich um die Umkehrung dieser Situation: der Müll der Menschen stellt eine widrige Umwelt für die Vögel dar. Kris Martins "Endpoint of Het Achterhuis" (Anne Frank's diary, 2006) ist auch die letzte Station der Führung. Martin hat den Schlusspunkt aus dem "Tagebuch der Anne Frank" ausgeschnitten und gerahmt. Das Blatt ist bis auf seinen feinen handschriftlichen Verweis auf das Buch der Anne Frank und den mittig platzierten Punkt leer. Eine unbedingt zu empfehlende Ausstellung, bei der die Führung selbst auch ein Kunstwerk darstellt. Die Tino-Sehgal-Interpreten überraschen die Besucher mit einer "konstruierten Situation",  die an dieser Stelle natürlich nicht verraten werden darf. Ein Tipp: Unbedingt die Führung in Anspruch nehmen, sie dauert etwa eine halbe Stunde, ist kostenlos und wartet mit Überraschungen auf.

Die Ausstellung ist im Espace Louis Vuitton München, Maximilianstr. 2a, 80539 München, bis zum 8. August zu sehen. 

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