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Freitag, 22. November 2013

Installation Tutti IV von Manfred Pernice in der Galerie der Freunde im Haus der Kunst

Ulrich Wilmes (Hauptkurator des Haus der Kunst) führte die Freunde Haus der Kunst durch die Installation "Tutti IV" des in Berlin lebenden Künstlers Manfred Pernice (1963 in Hildesheim geboren), die seit Mitte Oktober die Galerie der Freunde schmückt. Diese ist nach Haegue Yangs Werk die zweite Auftragsarbeit in der Serie DER ÖFFENTLICHKEIT - VON DEN FREUNDEN HAUS DER KUNST. Manfred Pernices Skulptur besteht im Wesentlichen aus zwei Teilen: einem großen runden Raum (Tutti), der wiederum in vier Abschnitte unterteilt ist und einem Überbau, einer Brücke, die über eine Wendeltreppe in der Mitte und eine weitere Treppe zu erreichen ist. Pernice selbst nennt seine Installation "ein Gebilde": damit möchte er zum Ausdruck bringen, dass sie gebaut wird und verschiedene architektonische Elemente enthält. Die runde Basisskulptur Tutti stammt aus dem Jahre 2010 und wurde bereits in verschiedenen Ausstellungen, wie z.B. in Salzburg und Oxford aufgebaut. Obwohl er sie auch hier - im Sinne eines Arbeitsmodells - wiederverwendet, wirkt sie jedes Mal anders, da er sie immer an die jeweilige Umgebung anpasst. Die Musik, die man hört, wenn man sich dem Kunstwerk nähert, ist jene, die das Mitarbeiterteam beim ersten Aufbau in Salzburg gehört hat. Tutti beherbergt vier offene Räume, die unterschiedlich groß sind und individuell ausgestaltet bzw. eingerichtet sind.

Die zwei größten Räume öffnen sich zum Haupteingang hin. Der rechte Abschnitt lebt von dem Gegensatz zwischen den hier verteilten, streng architektonisch wirkenden und teilweise aufeinandergestapelten Quadern, die an einen öffentlichen Raum bzw. die Gestaltung eines öffentlichen Raums erinnern und der geblümten grünen Tapete, die sehr privat wirkt und damit eher an einen Rückzugsbereich denken lässt. Hier wird die Verbindung zwischen innen und außen deutlich. Die Wände des benachbarten linken Abschnitts sind in ein warmes Orangerot getaucht, es sind Bilder und Prospekte eines Hotels sowie Fotografien zu sehen, die an Urlaube oder Städte-Besuche erinnern, wie z.B. die Schulrucksäcke, die Ai Wei Wei im Rahmen seiner Ausstellung 2009/2010 an der Fassade des Haus der Kunst anbringen ließ, um an das Erdbeben von Sichuan zu erinnern. Dieser Teil wirkt wie ein Wohnzimmer, es fehlen lediglich die Möbel. Neben diesen zwei größeren gibt es zwei etwas kleinere, ebenfalls offene Bereiche: einen "Ausstellungsraum" mit Fotografien an weißen Wänden und einen gelb gestrichenen Raum, der ein Regal mit Kinderspielen, ein Magnetbord, Bilder, Notizen, Stehlampen und einen Auto-Anhänger beherbergt. Er wirkt wie ein Kellerabteil, in dem Dinge untergebracht sind, die zum Teil noch nützlich sind, und andere, die nicht mehr gebraucht werden. Vielleicht wie die Kinderspiele, die möglicher Weise aus nostalgischen Gründen noch aufbewahrt werden: hier wohnt die Erinnerung. "Tutti" heißt auf Italienisch "alle"; Manfred Pernice bezieht sich in seiner Kunst auf "alles": sein Credo ist, dass wir uns mit allem auseinandersetzen müssen und dass alles miteinander in Verbindung steht. Ihn interessiert das Alltägliche: das, was uns außen und innen täglich umgibt.
Steigt man die Wendeltreppe in der Mitte der Skulptur hoch, erreicht man ihr Dach, das mit Absperrbändern, von denen manche an ausrangierte Pfosten oder Stangen befestigt sind, gesichert ist. Auch hier zeigt sich deutlich, dass Pernice gerne mit Fundstücken, recycelten oder auch verfremdeten Gegenständen arbeitet. Seine Materialien werden immer wieder verwendet und sollen eine Geschichte erzählen. Von hier aus erreicht man über eine Treppe die Brücke, die sich zwischen dem Ost- und Westteil der Mittelhalle in ca. 6 m Höhe erstreckt. Die Höhe der Brücke entspricht ungefähr der Höhe der Galeriefenster, die - seit geraumer Zeit zugemauert - die Mittelhalle umgeben. Pernice knüpft auf diese Weise bewusst an die Architektur des Haus der Kunst an; der Blick von oben korrespondiert mit dem (potentiellen) Blick aus den Galeriefenstern. Die Brücke wirkt wie ein Querriegel zur Symmetrie des Raumes - sie stört diese Symmetrie nicht, sondern teilt den Raum lediglich in zwei Hälften. Der Raum oben ist - im Gegensatz zu den unteren Räumen - mit Teppich ausgelegt und bietet Hocker und Poufs als Sitzgelegenheiten an. Er lädt zum Entspannen und Genießen ein. Manfred Pernices Installation ist als Work in Progress gedacht und wird vom Künstler im Laufe des nächsten Jahres immer wieder ergänzt und verändert. Eine interessante Installation, die unbedingt zum Erkunden und zum Beobachten ihrer weiteren Entwicklung einlädt!
Kurator Ulrich Wilmes erläutert "Tutti IV"
Manfred Pernice: "Tutti IV", Mittelhalle des Haus der Kunst, bis Oktober 2014 zu besichtigen

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