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Mittwoch, 13. November 2013

Okwui Enwezor im Gespräch mit Carlos Garaicoa in der Galerie Barbara Gross


Okwui Enwezor im Gespräch mit Carlos Garaicoa
Anlässlich der Ausstellung von Carlos Garaicoa: „Wer im Glashaus sitzt...“ fand am Sonntag, den 10. November im Rahmen des Kunstwochenendes in der Galerie Barbara Gross ein Gespräch zwischen dem kubanischen Künstler Carlos Garaicoa und Okwui Enwezor, Direktor des Haus der Kunst, statt. Die beiden kennen sich bereits seit 1986 und aus ihrer Zusammenarbeit bei der von Okwui Enwezor geleiteten Documenta XI (2002). Carlos Garaicoa wurde 1967 in Havanna geboren; er lebt abwechselnd in Madrid und Havanna und gehört zu den politisch engagiertesten Künstlern seiner Generation. Im Mittelpunkt des Gespräch standen Themen wie Ideologie, Architektur und Skulptur. Garaicoa berichtete von seinen Studienjahren an der renommierten Universität ISA und dem relativ engen Rahmen, innerhalb dessen künstlerische Freiheiten und Ausdrucksweisen im sozialistischen Kuba möglich waren. Durch die 1984 zum ersten Mal stattfindende "Biennale Havanna" bot sich lateinamerikanischen Künstlern die Gelegenheit, ihre Werke auch einem internationalen Publikum vorzustellen. 
From the Series to Transform the Political Speech in Facts (2009)
Auf der Suche nach seiner persönlichen künstlerischen Ausdrucksweise wandte sich Garaicoa – inspiriert von dokumentarischen Fotografien seines Vaters – relativ schnell der Architektur seines Landes zu. Die barocken Bauwerke der kubanischen Kolonialzeit, die immer mehr verfallen, und die in billiger Bauweise hergestellten und mittlerweile meist maroden Bauten des Sozialismus prägen das kubanische Stadtbild. Die Architektur ist seiner Ansicht nach ein Spiegel der politischen, ideologischen und sozialen Veränderungen sowie Entwicklungen, die sich in unserem Leben zugetragen haben. In der Ausstellung sind Fotografien von Gebäuden und Gebäuderuinen zu sehen, die Garaicoa mit feinen Linien oder mit dünnen Fäden gleichsam "weiterbaut": die Gebäude wirken nun wie Luftschlösser und sind Zeugen der "leeren Versprechen" ihrer jeweiligen politischen Ära. 
Portafolio, 2013
In der Galerie werden Modelle der Deutschen Bundesbank (in Gold gegossen und in einem Tresor als Miniatur zur Schau gestellt) und des Haus der Kunst präsentiert. Um den Tresor herum sind an der Wand in Samt eingefasste Goldblätter angebracht, auf denen Sprüche von Protestplakaten aus Italien, Griechenland, Zypern, Irland... eingraviert sind. Auf Okwui Enwezors Frage nach der Motivation des Künstlers, deutsche Institutionen als Modelle abzubilden, erwidert Garaicoa, dass diese Institutionen geschichtsträchtig seien und im Mittelpunkt politischer Fragen und Probleme stehen, mit denen er sich künstlerisch auseinandersetzen möchte. 
Haus der Kunst als Glasmodell (2013)
Das Haus der Kunst wird von ihm als Glashaus dargestellt: die schwere Architektur weicht gläsernen Wänden und wird gemäß Enwezor "dematerialisiert". Mit der Verwendung von Glas assoziiert man im ersten Augenblick Offenheit, Luftigkeit und Leichtigkeit – wie kann man dem Ballast der Geschichte angemessen begegnen? Gleichzeitig erinnert das gläserne Modell mit seiner Zerbrechlichkeit auch an die eingeworfenen Schaufenster der Reichsprogromnacht und den Beginn der Verfolgung der Juden. 
Serial Killer Bookshelf (2013)
Das „serial killer bookshelf“ schließlich enthält politische Schriften von Hitler, Stalin, Mao u.a. sowie Bücher, die bei Serienmördern gefunden wurden.
Ein sehr interessantes Gespräch im Rahmen des Kunstwochenendes in München und eine ganz besonders zu empfehlende Ausstellung!

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