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Freitag, 4. April 2014

Die Galeristin Barbara Gross spricht über ihre Anfänge als Galeristin und die heutige Kunstszene


Das Gespräch mit Barbara Gross fand in ihrer Galerie, in der Theresienstraße 56, wo sie zur Zeit Arbeiten des amerikanischen Künstlers Leon Golub ("Danse Macabre") ausstellt, statt. Golub (1922-2004) war einer der großen politischen Maler Amerikas, dessen Arbeiten um die Themen Rassismus, Gewalt, Unterwerfung und Wut kreisten. Berühmt wurde er durch seine monumentalen Gemälde der Kampfeinsätze in Vietnam, die Darstellung von Söldnertruppen (Mercenaries) oder Folterpraktiken (Interrogations). In der Galerie sind einige seiner großen Gemälde, aber auch kleinere Zeichnungen, die er in den letzten zehn Lebensjahren fertigte, zu sehen. Der Betrachter spürt förmlich die starke Intensität, die von seinen Werken ausgeht!
Leon Golub: Two Heads II, 1989
Barbara Gross spricht über ihre Anfänge als Galeristin, ihr Gespür für die Künstler und die gegenwärtige Kunstszene. Sie hat in Berlin an der Akademie der Künste Kunst studiert, war einige Jahre als Lehrerin tätig, bis sie Anfang der 1980-er Jahre in Zusammenarbeit mit verschiedenen Künstlerinnen begann Editionen herzustellen und (auch an Museen) zu verkaufen, da sie die Tatsache nicht akzeptieren wollte, dass bis in die 1970-er Jahre hinein Künstlerinnen in den Museen nicht vertreten waren. Als sie vor nunmehr 26 Jahren ihre Galerie in München mit jugendlichem Idealismus eröffnete, vertrat sie eine Handvoll Künstlerinnen, deren Werke sie in- und auswendig kannte. Im Unterschied zu früher bleibt ihr - mit etwa 15 aktiven Künstlern - deutlich weniger Zeit für die Vorbereitung einer Ausstellung. Ihr erstes Kunstwerk, eine Arbeit von Miriam Cahn, verkaufte sie an ein Schweizer Museum. Schon früh bestand ihr Ziel darin, die Arbeiten ihrer Künstlerinnen - und später auch ihrer Künstler - in die Museen zu bringen. Maria Lassnig, die sie vor etwa 30 Jahren kennenlernte, ließ sich in Deutschland oder der Schweiz kaum vermitteln. Sie sei gerade mit Lassnig viel in Museen angeeckt, erwähnt Frau Gross. Ihre Künstlerinnen, wie Katharina Sieverding, Maria Lassnig, Ida Applebroog, Louise Bourgeois, Nancy Spero, Kiki Smith u.a. verbindet eine gemeinsame thematische Linie: sie alle nutzten die Kunst als Ausdrucksmittel, um über ihre Rolle als Frau in der Gesellschaft zu reflektieren. Auf die Frage, was einen guten Künstler ausmacht, betont Barbara Gross, dass gute Künstler für ihre Kunst leben, dafür brennen und damit sehr häufig auf ein gesichertes Einkommen verzichten. Bei Maria Lassnig war es beispielsweise so, dass sie richtig sauer wurde, wenn sie nicht arbeiten konnte. Künstler verspüren das unbedingte Bedürfnis, ihren Weg zu gehen; sie verfolgen ihre Arbeit mit großer Konsequenz und schielen nicht nach Erfolg. Nicht vorhersehbar ist, wie Künstler mit Erfolg umgehen: manche kommen damit ganz gut zurecht, und bei manch einem Künstler konnte Gross eine gewisse Verflachung feststellen, vielleicht auch ein Verlust an Authentizität und Intensität. Sie hofft auch, dass die Freiheit des Kunstschaffens nicht durch den starken Marktdruck verloren geht. Bei jungen Künstlern kann man die zukünftige künstlerische Entwicklung nicht vorhersehen, aber die Künstlerinnen der Galerie hatten - als Barbara Gross sie kennenlernte - schon ihren Weg gefunden, sie standen nicht am Anfang; sie waren nur nicht in Museen vertreten. Sogenannte Kreativitätsexplosionen hat Gross bei ihren Künstlern nicht erlebt; vielmehr verändern sie sich Schritt für Schritt, jedes Mal kommt ein neuer Aspekt hinzu, der jedoch logisch mit dem vorhergehenden Schritt verbunden ist. Vergleicht man dann jedoch die Anfänge von Künstlern, wie z.B. von Silvia Bächli, die derzeit in der Pinakothek der Moderne ausgestellt wird, mit ihrem derzeitigen Stand, kann man dennoch eine große Veränderung erkennen. Kiki Smith, beispielsweise, wandte sich nach ihren Körpern und Frauenfiguren aus Pappmaché kleinen Tieren, Würmern aus Ton zu, die wir in unserem Alltag übersehen. Sie wollte nicht nur als diejenige festgeschrieben werden, die nackte Frauenkörper produziert. Die Figuren wurden dann zu einem späteren Zeitpunkt wieder Bestandteil ihrer Arbeit. Gute Kunst muss laut Barbara Gross den Betrachter berühren. Gross bedauert, dass Kunst in unserer heutigen Zeit zunehmend den Status einer Wertanlage, eines Statussymbols hat. Auf der anderen Seite heißt sie die gesellschaftliche Entwicklung gut, die Kunst und Kultur einen hohen Stellenwert einräumt. Die globale Ausweitung des Kunstmarktes macht es jedoch auch für den einzelnen Galeristen zunehmend schwerer, sich intensiv mit den Künstlern der jeweiligen Region zu beschäftigen. Es gibt mittlerweile überall auf der  Welt so viele und auch so interessante Künstler. Daher muss man seine Aufmerksamkeit ganz gezielt auf bestimmte Bereiche ausrichten; man kann nicht in allen Bereichen sachkundig sein. Gute Kunst erkennt Barbara Gross, indem sie innere Vergleiche anstellt. Besitzt diese etwas Eigenes und ahmt keine andere Kunst nach, hat sie vor ihrem Urteil Bestand. - Ein sehr interessantes Gespräch mit einer sehr engagierten und offenen Galeristin!
Leon Golub: "Pissed off", 2000
Die Ausstellung "Leon Golub: Danse Macabre" ist bis zum 3. Mai 2014 in der Galerie Barbara Gross, Theresienstr. 56, 80333 München zu sehen.

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