Die zwei größten Räume öffnen sich zum Haupteingang hin. Der rechte Abschnitt lebt von dem Gegensatz zwischen den hier verteilten, streng architektonisch wirkenden und teilweise aufeinandergestapelten Quadern, die an einen öffentlichen Raum bzw. die Gestaltung eines öffentlichen Raums erinnern und der geblümten grünen Tapete, die sehr privat wirkt und damit eher an einen Rückzugsbereich denken lässt. Hier wird die Verbindung zwischen innen und außen deutlich. Die Wände des benachbarten linken Abschnitts sind in ein warmes Orangerot getaucht, es sind Bilder und Prospekte eines Hotels sowie Fotografien zu sehen, die an Urlaube oder Städte-Besuche erinnern, wie z.B. die Schulrucksäcke, die Ai Wei Wei im Rahmen seiner Ausstellung 2009/2010 an der Fassade des Haus der Kunst anbringen ließ, um an das Erdbeben von Sichuan zu erinnern. Dieser Teil wirkt wie ein Wohnzimmer, es fehlen lediglich die Möbel. Neben diesen zwei größeren gibt es zwei etwas kleinere, ebenfalls offene Bereiche: einen "Ausstellungsraum" mit Fotografien an weißen Wänden und einen gelb gestrichenen Raum, der ein Regal mit Kinderspielen, ein Magnetbord, Bilder, Notizen, Stehlampen und einen Auto-Anhänger beherbergt. Er wirkt wie ein Kellerabteil, in dem Dinge untergebracht sind, die zum Teil noch nützlich sind, und andere, die nicht mehr gebraucht werden. Vielleicht wie die Kinderspiele, die möglicher Weise aus nostalgischen Gründen noch aufbewahrt werden: hier wohnt die Erinnerung. "Tutti" heißt auf Italienisch "alle"; Manfred Pernice bezieht sich in seiner Kunst auf "alles": sein Credo ist, dass wir uns mit allem auseinandersetzen müssen und dass alles miteinander in Verbindung steht. Ihn interessiert das Alltägliche: das, was uns außen und innen täglich umgibt.
Steigt man die Wendeltreppe in der Mitte der Skulptur hoch, erreicht man ihr Dach, das mit Absperrbändern, von denen manche an ausrangierte Pfosten oder Stangen befestigt sind, gesichert ist. Auch hier zeigt sich deutlich, dass Pernice gerne mit Fundstücken, recycelten oder auch verfremdeten Gegenständen arbeitet. Seine Materialien werden immer wieder verwendet und sollen eine Geschichte erzählen. Von hier aus erreicht man über eine Treppe die Brücke, die sich zwischen dem Ost- und Westteil der Mittelhalle in ca. 6 m Höhe erstreckt. Die Höhe der Brücke entspricht ungefähr der Höhe der Galeriefenster, die - seit geraumer Zeit zugemauert - die Mittelhalle umgeben. Pernice knüpft auf diese Weise bewusst an die Architektur des Haus der Kunst an; der Blick von oben korrespondiert mit dem (potentiellen) Blick aus den Galeriefenstern. Die Brücke wirkt wie ein Querriegel zur Symmetrie des Raumes - sie stört diese Symmetrie nicht, sondern teilt den Raum lediglich in zwei Hälften. Der Raum oben ist - im Gegensatz zu den unteren Räumen - mit Teppich ausgelegt und bietet Hocker und Poufs als Sitzgelegenheiten an. Er lädt zum Entspannen und Genießen ein. Manfred Pernices Installation ist als Work in Progress gedacht und wird vom Künstler im Laufe des nächsten Jahres immer wieder ergänzt und verändert. Eine interessante Installation, die unbedingt zum Erkunden und zum Beobachten ihrer weiteren Entwicklung einlädt!
Kurator Ulrich Wilmes erläutert "Tutti IV" |
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