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Freitag, 3. Januar 2014

"Schande" nach J.M. Coetzee in den Münchner Kammerspielen

Der 52-jährige, weiße Literaturprofessor David Lurie lebt und arbeitet in Kapstadt. Er hat sich in seinem Leben eingerichtet; er besucht einmal in der Woche die schwarze Prostituierte Soraya - so wenig braucht er - eigenen Angaben nach - zum Glück. Eines Tages läuft ihm seine junge Studentin Melanie Isaacs über den Weg und entfacht in ihm "ein Feuer der Leidenschaft". Seine Studentin fühlt sich von seinen Annäherungsversuchen eher überrumpelt als begeistert und lässt sich dennoch auf eine Affäre mit ihm ein. Als diese bekannt wird, landet Lurie vor einem Femegericht und bekennt sich schuldig, ohne wirklich Reue zu zeigen. Er verlässt die Universität und besucht seine lesbische Tochter Lucy, die auf dem Land lebt und sich um ihre Farm kümmert. Unterstützt wird sie von ihrem schwarzen Nachbarn Petrus, der mittlerweile ihr Teilhaber ist. David Lurie ist erschüttert, als beide eines Nachts von drei schwarzen Jugendlichen überfallen werden und seine Tochter vergewaltigt wird. Plötzlich ist er nicht mehr in der Situation als Vertreter der weißen Oberschicht jemandem seinen Willen - und sei es auch nur seinen sexuellen Willen - aufzuzwingen. Die Lage hat sich gleichsam umgekehrt: nun sind Lucy und er die Unterlegenen. Lurie resigniert, als er erfährt, dass Lucy schwanger ist, das Kind behalten möchte und sogar bereit ist, Petrus zu heiraten (obwohl Petrus offensichtlich etwas mit dem Überfall zu tun hat) und ihm das Land zu überschreiben, um in seinem Schutz weiter auf der Farm leben zu können. Sieht sie die Verpflichtung zur Buße? Fügt sie sich deswegen so in ihr Schicksal und bleibt auf der Farm? Oder ist das Leben auf der Farm ihr Glück, dem sie alles andere opfert? David Lurie ist eine traurige Figur: Erfüllung bieten ihm lediglich die kurzen Momente mit Prostituierten, zu seinen Mitmenschen kann er kaum eine Beziehung aufbauen. Die grandiose Leistung der Schauspieler, allen voran Stephan Bissmeier (in der Rolle des David Lurie), Brigitte Hobmeier (als Lucy Lurie) und Felix Burleson (als Petrus) wurde mit minutenlangem Applaus belohnt. Eine ganz besonders effektvolle Idee ist auch das Bühnenbild von Katrin Brack, das aus schwarzen, bunt gekleideten Schaufensterpuppen besteht, die die Bühne bevölkern. Die Schauspieler treten hinter und zwischen ihnen hervor, um zu agieren. Ein bemerkenswertes Theaterstück und eine tolle Leistung des Regisseurs Luk Perceval!

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