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Mittwoch, 26. Februar 2014

Die Freunde Haus der Kunst bei der Führung durch die Ausstellung: "Im Tempel des Ich. Das Künstlerhaus als Gesamtkunstwerk - Europa und Amerika 1800 - 1948" in der Villa Stuck

Atelierhaus und Garten des Malers Jacques Majorelle in Marrakesch
Frau Margot Th. Brandlhuber - Leiterin der Sammlungen der Villa Stuck - führte die Freunde durch die wunderbare Ausstellung "Im Tempel des Ich", die sie kuratiert hat. Anlässlich des 150. Geburtstags des Münchner Künstlers Franz von Stuck, der seine Villa nach seinen eigenen Entwürfen als Gesamtkunstwerk konzipierte und einen der ersten neoklassizistischen Bauten - außen puristisch und innen teilweise sehr opulent - schuf, wurde die Ausstellung über Künstler und ihre Häuser ins Leben gerufen. Die Häuser drücken den Wunsch der Künstler nach Individualität aus und sind gleichzeitig der Spiegel ihrer künstlerischen Arbeit. Besonders deutlich wird dies bei Kurt Schwitters' Atelier, dem sogenannten "Merzbau" in Hannover: die kubistische Architektur findet sich in seinen Bildern deutlich wieder. Als erstes Künstlerhaus wird das eindrucksvolle Haus des Architekten und Professors der Royal Academy in London, Sir John Soane, präsentiert. Soane wurde durch den Bau der Bank of England (1788-1833) berühmt und seine Villa diente gleichzeitig als Museum und Akademie für seine Studenten. Zu den frühen Künstlerhäusern gehört auch das "Red House" von William Morris bei London, der in seinem Haus gestalterisch die Sage von König Artus aufleben ließ. Da ihn das Rosenspalier im Hintergrund von Edward Burne-Jones' Zeichnung: "Backgammon Players" (1861) so faszinierte, ließ er kurzerhand eine Tapete mit eben diesem Muster für sein Haus anfertigen. Um Kunst auf ihre handwerkliche Tradition zurückzuführen und als Ausdruck einer besonderen Lebensweise zu etablieren, gründete Morris 1861 eine Werkstatt und fertigte bemalte Möbel an. Er gilt als der Begründer der englischen Arts-and-Crafts-Bewegung. Frederic Edwin Churchs Haus "Olana" (1870) - nach persischem Vorbild gebaut - bot wunderbare Ausblicke auf den Hudson River, die Church immer wieder in seinen Gemälden festhielt. Bei Frederic Lord Leighton - Maler und gleichzeitig Präsident der Royal Academy - , der 1864 sein "House beautiful" in London erbauen ließ, flossen seine kostbare Fliesen- und Textiliensammlung direkt in seine Malerei ein, wie die kunstvollen Gemälde "Die Musikstunde" (1877) und "Am Lesepult" (1877) erkennen lassen. Sir Lawrence Alma-Tademas Atelierhaus in London (1884) diente auch als Kulisse für seine bildnerischen Darstellungen des antiken Lebens. Ausgestellt ist eine der Antike nachempfundene und handwerklich perfekt gearbeitete Liege aus seinem Atelier, bei der er Frauen vor der perlmuttgeschmückten und mit zarteren Füßen ausgestatteten Seite der Liege porträtierte und Männer vor der schlichteren, robusten und ungeschmückten Seite. Claude Monet (1840-1926) ist vor seinem Haus in Giverny abgebildet, er steht inmitten seines bunten und schönen Gartens; auf dem Foto verschmilzt er förmlich mit ihm und bildet eine Einheit mit seinem Garten. Die Abbildungen seines Hauses zeigen, welche wichtige Rolle die Natur bei ihm spielte: die Räume sind bunt gestaltet und lassen die Natur hinein. Sein japanischer Garten war für ihn ein zweites Atelier und hat ihn künstlerisch sehr inspiriert - so auch zu seinem Seerosenzyklus. Mortimer Luddington Menpes, der als Maler in Chelsea wohnte und 1899 sein Haus erbaute, war - seit er 1887 das erste Mal nach Japan reiste - sehr von Japan fasziniert und entwarf in seinem Haus Möbel, Lampen sowie Türgriffe nach japanischem Vorbild. Seines Erachtens lag das Geheimnis der japanischen Kunst in ihrem Gespür für die perfekte Platzierung. Neben Fernand Khnopffs Villa (1897) in Brüssel, dessen Gemälde "Ich schließe mich selbst ein" (1891) in der neuen Pinakothek zu sehen ist, wird auch das Künstlerhaus von Gustave Moreau präsentiert sowie sein wunderbares Gemälde "Orpheus" (1865), das Marcel Proust in seinen "notes sur le monde mystérieux de Gustave Moreau" im Zusammenhang mit dessen Haus beschrieben hat. Jacques Majorelles kubistisches, leuchtend blaues Haus (1931)
in Marrakesch (eine spezielle Kobaltblau-Abstufung, die Majorelle immer wieder benutzt hat, wird heute nach ihm benannt: "Majorelle-Blau") begeistert ebenso wie das Atelierwohnhaus (1929) von Theo van Doesburg in Meudon bei Paris für die Ausstellungen der Künstlergruppe De Stijl. Den Abschluss der Ausstellung (im großen Atelier von Franz von Stuck im 1. Stock) bildet Max Ernst' Steinhaus in Sedona (Arizona), wo er sich mit Dorothea Tanning 1945 niederließ. Eine sehr interessante, dichte und wunderbare Ausstellung!
Sir John Soanes Museum: "The Dome"

Die Ausstellung ist noch bis zum 2. März 2014 in der Villa Stuck,  Prinzregentenstraße 60, 81675 München zu sehen.

Sonntag, 23. Februar 2014

Die Freunde Haus der Kunst zu Besuch in der Ausstellung "Pompeji. Leben auf dem Vulkan" in der Kunsthalle der Hypo-Kulturstiftung

Peristyl im Haus des Menander
Im Jahre 79 n. Christus brach der Vesuv aus und begrub die umliegenden Städte Pompeji und Herculaneum unter einer meterhohen Schicht aus Asche und Bimsstein. In der Ausstellung sind etwa 260 Exponate zu sehen (zum Teil schon aus der Bronzezeit, wie die Keramikschalen von 1900 v. Chr., die durch ihren schwarzen Überzug fast metallen anmuten), die diese Städte wieder aufleben lassen. Pompeji wurde bereits im 6. Jahrhundert v. Christus von den Griechen gegründet, 290 v. Christus jedoch von den Römern besetzt. Reiche Bürger zogen sich vor allem im Sommer aus Rom in ihre Anwesen in Pompeji zurück. Pompeji besaß Wasserleitungen aus Blei, drei Thermenanlagen, ein Theater, ein Odeon und eine Arena. In Mühlen aus Lavagestein wurde Getreide gemahlen, das in den 31 Bäckereien zu Brot gebacken wurde, das zum Teil durch Stempel der jeweiligen Eigentümer gekennzeichnet wurde. Im Jahr 62 n. Chr. wurden weite Teile Pompejis durch ein Erdbeben zerstört, bevor Pompeji 79 n. Chr. in einem Regen aus vulkanischer Asche, Staub, Lapilli und schaumigen Bimssteinstücken unterging. Zur Zeit der Katastrophe hatte Pompeji über 20.000 Einwohner; etwa 16.000 überlebten den Vulkanausbruch nicht. In Herculaneum, dem kleinen Fischerdorf an der Küste, starben die Menschen nicht durch den Ascheregen und Lavagestein wie in Pompeji, sondern in einem pyroklastischen Strom, einer Wolke glühendheißer (um die 500 Grad) und giftiger Gase, die mit über 100 Stundenkilometern zu Tal schoss und alles verbrannte. Die Verletzungen, die die meisten Toten aufwiesen, entstanden erst nach ihrem Tod durch herabfallende Lavabrocken. In der Ausstellung sind die Abgüsse einiger - in den Bootshäusern gefundener - Toten zu sehen, die bei ihrer Flucht von der Hitzewelle überrascht wurden.
Läufer, Villa dei Papiri
In der Ausstellung befindet sich eine sehr gut erhaltene hellenistische Skulptur: ein Läufer (frühes 1. Jhd. n. Chr.), der im Garten einer Villa am Rande eines Wasserbeckens aufgestellt war. Der zweite Raum der Ausstellung ist dem Haus des Menander in Pompeji gewidmet - das Haus erhielt seinen Namen durch ein Fresko, das den Dichter Menander zeigt. Eine riesige Fotografie, die den Eingangsbereich des Hauses mit Blick in den dahinter liegenden Garten wiedergibt, sowie ein Korkmodell vermitteln einen guten Eindruck von der Größe und Anlage dieses Häuserkomplexes. Hinter dem Eingang und den Empfangsräumen des Hauses liegt der wunderschön angelegte Garten, der - geschützt vom Straßenlärm - der Muße und Erholung ("Otium") dienen soll, während die geschäftige Seite des Hauses ("Negotium"), wie das Haus des Verwalters, die Bäckerei, die Küche und die Thermen um den Garten herum angeordnet sind. Ein kostbarer und sehr gut erhaltener Silberschatz, doppelwandige Silberbecher sowie Geschirr und Löffel (in der Renaissance wurde erst mit Messer und Gabel gegessen, vorher nur mit den Fingern) für 13 Personen wurden aus dem Keller des Anwesens geborgen. Schöner Goldschmuck, verkohlte und zum Teil gestempelte Brote, Lampenständer, Wassereimer und Mosaike gehören ebenfalls zu den ausgestellten Exponaten. Pompeji besaß auch ein Amphitheater, um die Veteranen, die Kaiser Augustus am Rand der Stadt ansiedeln ließ, zu belustigen. Die kräftigsten der beispielsweise in Delos verkauften Sklaven wurden in Gladiatorenschulen zu Gladiatoren ausgebildet. Die Ausstellung zeigt eine schöne Auswahl vielfältiger Gladiatorenrüstungen. Wegen Streitigkeiten und Straßenkämpfen zwischen zerstrittenen Gladiatorenanhängern ließ Kaiser Nero das Amphitheater jedoch 50 n. Chr. für zehn Jahre sperren. Das Gartenzimmer aus einem Anwesen am Westhang Pompejis mit Blick über die Bucht zum Meer (auch das Haus des goldenen Armreifs genannt) beherbergt Wandmalereien eines paradiesischen Gartens mit Vögeln, in dem alle Pflanzen auf dem Höhepunkt ihrer Schönheit abgebildet sind - hier blühen Blumen, die nie gleichzeitig blühen würden. Der letzte Raum der Ausstellung ist Johann Joachim Winckelmann (1717-1768) gewidmet, der Zeuge der frühen Ausgrabungen war und durch seine Schriften wesentliche klassizistische Strömungen im 18. und 19. Jahrhundert prägte, die ihren Niederschlag im Pompejanum von Aschaffenburg und in den Gärten von Dessau-Wörlitz und gefunden haben. Eine wunderbare Ausstellung, am besten mit einer Führung zu genießen!
Das Gartenzimmer aus dem Haus des goldenen Armreifs
Die Ausstellung ist in der Hypo-Kunsthalle bis zum 23. März 2014 zu sehen.

Freitag, 21. Februar 2014

Die Künstler Johanna und Helmut Kandl zu Gast in der Galerie Andreas Binder

Johanna Kandl vor ihrem Bild: "Die Fliegende", 2014
In der Galerie Andreas Binder sind die Bilder von Johanna Kandl (1954 in Wien geboren) und ein Videofilm, den sie gemeinsam mit ihrem Mann, Helmut Kandl, produziert hat, zu sehen. Johanna Kandl hatte von 2005 bis 2013 eine Malereiprofessur an der Universität für angewandte Kunst in Wien inne und ist durch zahlreiche nationale und internationale Ausstellungen bekannt geworden. Zu Ehren der Wiener Künstler hat Andreas Binder zu einem georgischen Abend eingeladen, an dem man mit dem Ehepaar über seine Reisen nach Georgien, seinen Videofilm und seine neuen Projekte diskutieren konnte. Kandls Gemälde (Tempera auf Holz) kann man als Reisetagebuch auffassen - ihre Bilder spiegeln die wirtschaftliche und soziale Lage ihrer Reiseziele wider. Dabei stellen Fotografien die Basis ihrer Gemälde dar - im Moment des Fotografierens entsteht bei Johanna Kandl bereits das fertige Bild. Einige ihrer Werke ergänzt sie durch Zitate aus der Wirtschaftswelt oder private Äußerungen der porträtierten Landesbewohner. Der Betrachter muss näher treten, um die Zitate lesen zu können und taucht so in ihre spezifische Lebenswelt ein. Kandl produziert auf diese Weise Nähe und  Empathie.
Die Künstlerin lebt mit ihrem Mann abwechselnd in Berlin und Wien und realisiert seit 1997 mit ihm regelmäßig gemeinsame Projekte. Der Videofilm "Wir holen uns das goldene Vlies" entstand vor zwei Jahren und ist eine Hommage an die österreichische Friedensnobelpreisträgerin (1905) Bertha von Suttner, die sich als Autorin (z.B. des Romans: "Die Waffen nieder!", 1889) und bedeutende Pazifistin einen Namen machte. In dem Film wird die Aufnahme des Lieds "La Timbale d'Argent" von Léon Vasseur der georgischen Opernsängerin Megi Chikhradze in der Ruine des Schlosses Gordi gezeigt. Hier gab auch Bertha von Suttner dieses Stück zum Besten - ganz in der Nähe des Guts, wo sie mit ihrem Ehemann bei der Fürstin Ekatarina Dadiani von Mingrelien acht Jahre lang gelebt hatte, nachdem seine Eltern ihn enterbt hatten und sie ihren Lebensunterhalt mit Übersetzungen und dem Schreiben von Unterhaltungsromanen verdienen mussten. Eine sehenswerte Ausstellung, hinter der bemerkenswerte Künstlerpersönlichkeiten stehen!
Die Ausstellung ist noch bis zum 8. März 2014 in der Galerie Andreas Binder, Knöbelstr. 27, 80538 München zu sehen.

Sonntag, 9. Februar 2014

Atelierbesuch in der Wiede-Fabrik

Dörthe Bäumer: Idole - Hommage an Ana Mendieta, 2013
Die Ateliers in der Wiede-Fabrik haben an diesem Wochenende ihre Pforten geöffnet. 26 Künstler präsentieren im Rahmen ihrer Gemeinschaftsausstellung ihre Arbeiten und stehen den Besuchern Rede und Antwort. Die Ausstellung von Dörthe Bäumer (die neben ihrer künstlerischen Tätigkeit auch das Kunstmagazin ARTMuc ins Leben gerufen hat) ist eine Hommage an die kubanische Künstlerin Ana Mendieta (1948 - 1985), die in jungen Jahren mit ihrer älteren Schwester in die USA geschickt, dort zu einer bekannten Künstlerin wurde und schließlich im Alter von 37 Jahren unter ungeklärten Umständen starb. Ein Fundstück, ein rosafarbenes, kitschiges Kunststoffpüppchen, das einen Hasen im rechten Arm hält, dient Bäumer als Vorlage für eine Puppenserie aus feinstem Seidenpapier. Dabei sind die Püppchen so zart, dass sie beim leisesten Windhauch umfallen würden;
Dörthe Bäumer: Detailansicht von Idole
die Künstlerin musste sie auf dem Sockel fixieren. Die Figuren sehen auf den ersten Blick alle gleich aus; bei näherer Betrachtung zeigt sich, dass sie sich trotz eines vermeintlich einheitlichen Erscheinungsbildes durch Feinheiten, wie z.B. leicht veränderte Gesichtszüge, voneinander unterscheiden. Aus ihrem Kopf, der nach oben hin eine Öffnung aufweist, wachsen zarte, feine Ästchen. Eine poetische Arbeit!
Milan Mihajlovic in seinem Atelier
Der serbische Künstler Milan Mihajlovic ist im Alter von 20 Jahren von Belgrad nach Deutschland ausgewandert. Im Eingangsbereich seines Ateliers fällt einem das überlebensgroße, eindrucksvolle Porträt seiner Mutter auf. Im Laufe der Jahre hat er die figurative zunehmend durch die abstrakte Malerei ersetzt. Seine Arbeitsweise vergleicht er mit der eines Komponisten: ähnlich wie dieser sein Musikstück komponiert, komponiert er sein Bild und spürt, was diesem zur Vollendung noch fehlt.
Wolfgang Koethe: Akt
Der Maler Wolfgang Koethe lässt sich bei seinen Aktgemälden von den Fotografien des in England geborenen und später in die USA ausgewanderten Fotografen Eadweard Muybridge (1830 - 1904) inspirieren. Die Arbeiten der Künstler Valeska von Brase, Oliver Diehr, Anica Glavas, Anja Bolata, Iris Hackl, Simon James, Hakan Evcin, Oliver Diehr und Claudia Grögler sind neben vielen anderen ebenfalls auf dem Gelände zu bewundern. Eine wunderbare Gelegenheit, die Arbeiten vieler Künstler kennenzulernen!
Claudia Grögler: Freund und Seelenverwandter
Die Gemeinschaftsausstellung in der Wiede-Fabrik ist bis zum 9. Februar (von 14.00 bis 18.00 Uhr) zu sehen. 

Samstag, 8. Februar 2014

Die Freunde Haus der Kunst zu Besuch in der Gerhard-Richter-Ausstellung: "ATLAS MIKROMEGA" im Kunstbau des Lenbachhauss

Gerhard Richter hat in den 1960er Jahren damit begonnen, Fotografien, Farbstudien, Zeitungsausschnitte, Collagen und Skizzen, wie z.B. Vorstudien zum Kölner Domfenster, aber auch Zeichnungen und Entwürfe von Projekten, die nie realisiert wurden (z.B. die Pläne für ein Privatmuseum mit einer ständigen Werkspräsentation auf der japanischen Insel Toyoshima), auf einzelnen Tafeln nach formalen und inhaltlichen Gesichtspunkten zu ordnen. Der Atlas wurde 1996 von der Städtischen Galerie im Lenbachhaus erworben und 2013 durch weitere Tafeln ergänzt. Trotz seines ursprünglichen Entschlusses, den Atlas abzuschließen, kündigte Richter bei der Eröffnung seiner Ausstellung im Kunstbau an, dass er weitere Tafeln produzieren werde. Seine Tafeln enthalten zahlreiche Fotografien, die er malerisch umgesetzt hat: z.B. die Fotografie seiner Frau Ema, die nackt die Treppe vor seinem Atelier hinuntergeht und die Vorlage für eines seiner berühmtesten Bilder: "Ema - Akt auf einer Treppe" (1966) darstellt. Auch die fotografischen Vorlagen der berühmten Gemälde "Betty" (1988) und "Lesende" (1994), die seine Tochter Betty und seine jetzige Frau Sabine Moritz darstellen, sind in der Ausstellung zu bewundern.
Mit dem Thema Holocaust hat sich Gerhard Richter intensiv auseinandergesetzt. Der Vater seiner ersten Frau war am nationalsozialistischen Euthanasieprogramm beteiligt - seine Tante hingegen war 1945 im Rahmen ebendieses Euthanasieprogramms zu Tode gekommen. Immer wieder startete er Versuche, Hitler zu malen; entschied sich jedoch im letzten Moment dagegen, da er nicht als Hitler-Maler bekannt werden wollte. Ursprünglich plante Richter - als er 1997 gebeten wurde eine 30 Meter hohe Wand in der Westeingangshalle des Reichstags zu gestalten - vier große Bilder zum Holocaust zu präsentieren. Nach reiflicher Überlegung entschied er sich dagegen und entwickelte die Idee, ein Muster aus den Nationalfarben herzustellen. Er verwarf diese Möglichkeit jedoch auch und gestaltete die Wand schließlich mit farbemaillierten Glasplatten in schwarz, rot und golden, wobei er das Format und die Proportionen der Farbfelder bewusst von dem der deutschen Flagge absetzte.
Beim Betrachten der Tafeln erschließt sich für den Besucher auf wunderbare Weise Richters Methode des Bilderfilterns, des Findens und Verwerfens und man kann die gedankliche Entwicklung seiner Bilder Schritt für Schritt nachvollziehen. Die Ausstellung präsentiert auch neuere Arbeiten von ihm: die Vorlagen für seine Stripbilder, die entstehen, indem der Künstler Ausschnitte aus früheren abstrakten Arbeiten immer wieder bearbeitet und abstrahiert; die Hinterglasmalerei "Flow" (2013) sowie seine Installation mit zehn gekippten Glasscheiben. Für Richter selbst stellt der Atlas kein eigenständiges Kunstwerk dar: für ihn gehört er zu den vorbereitenden Arbeiten. Helmut Friedel, ehemaliger Direktor des Lenbachhauses und Kurator dieser Ausstellung, ist der gegenteiligen Auffassung. In seinen Augen weist der Atlas ein klares Konzept und eine große Ästhetik auf - die handwerkliche Ausführung stellt für ihn nicht das entscheidende Kriterium für den Kunstbegriff dar. Eine wunderbare Ausstellung, die einen tollen Einblick in das Werk und die künstlerische Vorgehensweise Gerhard Richters bietet!
Gerhard Richter: IBLAN (2009), gewebter Jacquard-Wandteppich
Die Ausstellung ist noch bis zum 9. Februar 2014 im Kunstbau des Lenbachhauses zu sehen.