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Freitag, 30. Mai 2014

Kunstreise nach London mit den Freunden Haus der Kunst

Giuseppe Penone: Scrigno (2007), Gagosian Gallery
Gleich der erste Abend in London wartete mit einem Highlight auf: die Giuseppe-Penone-Ausstellung "Circling" in der Gagosian Gallery. Die weitläufigen und hohen Räume der Galerie sind für Penones Skulpturen wie geschaffen. Im ersten Raum befindet sich eine etwa 20 m langes Werk, das aus weißen, fein geäderten, Marmorplatten besteht (Sigillo, 2008). Ein Zylinder aus Marmor, der an einen Baumstamm erinnert und dessen fein gemaserte Äderchen herausgearbeitet wurden, so dass er - einem Stempel bzw. Siegel gleich, den man in seiner Vorstellung auf die nachfolgenden Platten rollt - in die Marmorplatten sein Muster gleichsam "einritzt", vermittelt die Illusion, man könnte ihn leicht bewegen. "Scrigno" (2007) ist eine ca. 15 Meter lange Wandarbeit aus großen Lederteilen, die in nassem Zustand um einen Baum gewickelt wurden, damit diese die typische Struktur der Rinde annehmen. Das Herz der Arbeit stellt ein waagerecht platzierter, ausgehöhlter und halbierter dünner Stamm aus Bronze dar, dessen Inneres vergoldet wurde und seinen Lebenssaft, Harz, enthält. Einen großen Eindruck hinterlassen auch die Wandarbeiten Penones, dessen eine Hälfte aus samtig erscheinendem Marmor und die andere Hälfte aus Dornen besteht, die die Maserung des Marmors gleichsam fortsetzen. Eine beeindruckende und sehr poetische Arbeit! Freitag Morgen führte uns in die Serpentine Gallery (Sackler Building) in die Martino-Gamper-Ausstellung: "Design is a State of Mind", bei der Gamper selbst entworfene Regale, Design-Klassiker und Fundstücke präsentiert, auf denen vielfältige Objekte, von Kochlöffeln bis hin zu Keramikschalen und Gartengeräten - nach Themen sortiert - arrangiert hat. Besonders schön und fast meditativ wirkte ein Regal mit weißen, eiförmigen, in Griechenland gesammelten Kieselsteinen, die er auf einem schlichten Holzregal anordnete. Weitere Highlights waren der Lunch im Haus des Privatsammlers und Kunsthändlers Ivor Braka, wo eine übermenschlich große Skulptur in einem roten Gewand des Künstlers Michael Landy die Besucher willkommen hieß sowie unser Treffen mit Chris Dercon in der Tate Modern. Nach einer Einführung in die Ausstellungen "Henri Matisse: The Cutouts" und "Richard Hamilton" geleitete uns Chris durch die Tate und erzählte Wissenswertes über die Sammlung und den Anbau der Tate Modern. Unsere Gespräche mit ihm konnten wir abends in einem gemütlichen Restaurant fortsetzen. Samstag Vormittag besuchten wir gleich zwei weitere Sammlungen: die "Simmons and Simmons Collection", eine Unternehmenssammlung der bekannten gleichnamigen Kanzlei, die von Stuart Ewans (einem ehemaligen Seniorpartner der Kanzlei) mit einem relativ begrenzten Jahresbudget seit den frühen 1990er Jahren konsequent aufgebaut wurde, und die "R. Collection" des Londoner Edelsteinhändlers Michael Rosenfeld. Dieser präsentiert seine Sammlung in der wunderschönen georgianischen Stadtvilla der Schmuckdesignerin Jessica McCormack gemeinsam mit ihren Schmuckstücken. Der Galerist Paul Hedge, der an diesem Tag unser Reiseleiter war, hat Rosenfeld beim Aufbau seiner Sammlung unterstützt. Er war es auch, der uns am Nachmittag durch Londons nordöstlichen Stadtteil Shoreditch führte, wo wir zwei Galerien besuchen konnten: die Kate MacGarry Gallery und die Hales Gallery, bevor es zum Umtrunk in den Chelsea Art Club ging. In der Hales Gallery fielen besonders die dicht gehängten -  und in Summe 16 m langen - Fotoarbeiten des Künstlers Richard Galpin auf, der seine großformatigen Fotografien an den Rändern mit einer feinen Schleifmaschine bearbeitet, so dass die tiefer liegenden und unterschiedlich gefärbten Schichten des Fotopapiers zum Vorschein kommen. Die entweder glänzende oder durch das Schleifen matte Oberfläche macht den Reiz dieser Arbeiten aus, die auf den ersten Blick wie abstrakte Gemälde wirken. Der Sonntag begann mit einem Rundgang mit Kuratorin Jana Scholze durch das 1852 ursprünglich als Design-Museum gegründete Victoria-&-Albert-Museum. Ein wunderbares Museum, das mit seinen Plastiken, Aquarellen, seinem Kunsthandwerk, Schmuck, seiner Möbelsammlung in prunkvollen Räumen und seinem wunderschönen Innenhof zu ausgedehnten Besuchen einlädt. Wir hatten die Gelegenheit, beide Ausstellungen: "The Glamour of Italian Fashion 1945-2014" und "William Kent: Designing Georgian Britain" zu besichtigen. Den Abschluss der Reise bildete der Besuch des wunderbaren Anwesens "Dorney Court" in Windsor, wo wir nach einem Rundgang durch das mehrere hundert Jahre alte Herrenhaus und eine Einführung in die Geschichte des Hauses den wundervoll angelegten Garten mit den Eigentümern des Hauses genießen konnten. Eine unvergessliche Reise mit einem tollen Programm! Wie immer ist eine solche Reise genau so gut wie die teilnehmenden Gäste - und auch hier konnten die mitreisenden Freunde Haus der Kunst wieder eindrucksvoll unter Beweis stellen, dass sie nicht nur etwas von Kunst verstehen, sondern auch frohe Geselligkeit und Humor schätzen!
Die Freunde Haus der Kunst mit Chris Dercon in der Tate Modern

Samstag, 24. Mai 2014

Ausstellungseröffnung von Silvia Bächli: "Weiter.Wird." in der Galerie Barbara Gross

Silvia Bächli: Ohne Titel, Gouache auf Papier, 2013
Parallel zu Silvia Bächlis Ausstellung "Brombeeren. Arbeiten auf Papier" in der Pinakothek der Moderne zeigt Barbara Gross feine Papierarbeiten der 1956 in Baden geborenen Künstlerin in ihrer Galerie. Inspiriert von der Natur, ihrer näheren Umgebung, aber auch von Geräuschen und Bewegungen entstehen ihre wunderbaren Zeichnungen. Die Linie steht im Mittelpunkt: mal ist sie gerade, mal geschlängelt, mal endet sie schwungvoll und auch ihre Breite variiert. Viele ihrer Zeichnungen vereint etwas Festes, Verankertes, sie haben ihren Ausgangspunkt am Blattrand, und gleichzeitig etwas Leichtes, Schwebendes, etwa wenn die Linien deutlich vor den anderen Blatträndern inne halten. Bächlis größtes - in der Galerie ausgestelltes - Bild (ihre Zeichnungen haben keine Namen, um sie nicht von vornherein auf bestimmte Deutungen festzulegen) hebt diesen Aspekt besonders hervor: breite, dicht nebeneinander verlaufende Linien starten am oberen Blattrand und enden - unterschiedlich lang - im unteren Drittel des Blattes. Hier lohnt sich ein detaillierter Blick: die Art, wie die Linie endet - ist sie leicht ausgefranst oder eher glatt, gerade oder leicht abgeschrägt, prägt maßgeblich die Wirkung der Zeichnung. In einigen Zeichnungen formen die Linien organische Körper oder Gegenstände, die sich harmonisch ineinander fügen, in anderen scheinen die Linien eher mehr oder weniger strenge geometrische Figuren anzudeuten. In manchen Werken dominiert die Farbe Schwarz in ihren helleren und dunkleren Schattierungen, in anderen sind zarte, gedeckte Farbtöne dazugekommen, die ihren eigenen Reiz entfalten. Der Verlauf der Linien ruft im Betrachter eine bestimmte Stimmung hervor: so auch die Zeichnung mit den - paarweise anmutenden - vier geschlängelt verlaufenden Linien mit einem leicht geweiteten Ende, die beispielsweise die Vorstellung von fröhlich baumelnden Beinen hervorrufen. Silvia Bächli ließ sich hier von Aprikosenbäumen einer Plantage inspirieren, die am Übergang zwischen Stamm und Erdreich ebenfalls eine leichte Verdickung aufweisen. Ein Raster-Bild in einem hellen bräunlich-roten Gouache-Ton fasziniert durch seine teilweise nicht durchgezogenen Linien mit unterschiedlicher Farbdichte, was Silvia Bächli eher an einen Stoff, ein Gewebe, denken lässt als an ein Gitter. Eine wunderbare und unbedingt sehenswerte Ausstellung, mit einer Künstlerin, die die Vollendung der Linie betreibt!
Silvia Bächli in der Galerie Barbara Gross
Die Ausstellung von Silvia Bächli: "Weiter.Wird" ist noch bis zum 12. Juli 2014 in der Galerie Barbara Gross, Theresienstrasse 56, 80333 München, zu sehen. 

Mittwoch, 14. Mai 2014

Führung mit Matthias Mühling durch seine PLAYTIME-Ausstellung im Kunstbau des Lenbachhauses


Matthias Mühling bei der Führung durch "PLAYTIME"
Wenn Matthias Mühling, der neue Direktor des Lenbachhauses, durch eine Ausstellung führt, dann ist die Führung nicht nur informativ, sondern macht auch sehr viel Spaß! Die Ausstellung "PLAYTIME", deren Titel an den gleichnamigen Film von Jacques Tati und an dessen feinsinnige Kritik an der Arbeitswelt erinnert, stellt das Thema Arbeit in den Mittelpunkt. Sie geht unter anderem der Frage nach, wie sich Künstler unterschiedlicher Generationen mit dem Thema Arbeit auseinandersetzen und was künstlerisches Arbeiten heutzutage bedeutet. Matthias Mühling hat sich für seine erste Ausstellung bewusst keine "Midcareer-Retrospective" ausgesucht, sondern wollte ein in unserer Zeit zentrales Thema - nämlich Arbeit - von vielen Seiten, ihren ernsten und z.T. auch unterhaltsamen Facetten beleuchten. Kunst, die sich mit Arbeit beschäftigt, hat immer auch einen voyeuristischen Aspekt - Matthias Mühling verweist in diesem Zusammenhang auf "Die Büglerin" von Edgar Degas (1869). Stand im Zuge der Industrialisierung noch der ausbeutende Aspekt der Arbeit im Vordergrund - die Entfremdung des Menschen von seiner Arbeit, wie in einer Filmsequenz von Charlie Chaplin dargestellt - dient Arbeit heute zunehmend der individuellen Selbstverwirklichung und führt damit vielleicht auch zu einer stärkeren Selbstausbeutung. Ist die starke Identifikation mit dem Beruf vielleicht eine höhere Form der Ausbeutung? Die vier großformatigen Fotografien von Sharon Lockhart zeigen den Aufbau einer Ausstellung und die damit verbundenen Mühen. In die Fotos mit aufgenommen und erst auf einen zweiten Blick erkennbar sind zwei Statuen von Duane Hanson, die höchstens dadurch auffallen, dass sie sich auf keinem der Bilder bewegen. Eine fertige Ausstellung hat viel Arbeit gemacht - dies ist für den Betrachter jedoch nicht sichtbar - ebensowenig wie bei den Kunstwerken von Michelangelo und van Eyck, die aufwändig in der Herstellung waren - der Pinselstrich (und damit die Mühe) ist für den Betrachter kaum sichtbar. Jörg Immendorf ist mit relativ unbekannten Zeichnungen vertreten, mit denen er 1976 Bertolt Brechts Gedicht "Fragen eines lesenden Arbeiters" (1935) bebildert hat. Die Fotoserie von Mladen Stilinovic: "Artist at Work" (1978) spielt mit dem Klischée des faulen Künstlers. Der Künstler ist bei hellichtem Tage im Bett zu sehen, mal blickt er grüblerisch auf, mal dreht er sich zur Seite und schläft. Neben der Tatsache, dass es schwierig ist, die Arbeit eines Künstlers zu quantifizieren - der Künstler könnte ja auch über seine Arbeit nachdenken oder grübeln - verweist die Fotoreihe auch auf die gefühlte Verzweiflung aufgrund einer eingeschränkten Entfaltungsfreiheit der Kunst im sozialistischen Jugoslawien. Jeder der vertretenen Künstler greift einen spezifischen, interessanten Aspekt der Arbeit heraus: Julian Röder behandelt die Frage von Arbeits-Uniformen; neben offiziellen Uniformen gibt es auch inoffizielle Uniformen, die uns als Teil einer bestimmten Arbeits- und Lebenswelt erscheinen lassen (wie die vor einigen Jahren beliebten "Maison-Martin-Margiela-Uniformen" von Mitarbeitern des Kunstbetriebs, wie Matthias Mühling mit einem Augenzwinkern ausführt). Monica Bonvicini kritisiert mit "7:30 HRS" (1999), die Tatsache, dass eine Arbeit umso weniger wert sei, je körperlicher sie ist. Ihre ausgestellten Skulpturen könnten dem Anschein nach Sol-LeWitt-Skulpturen sein, wurden jedoch von Maurer-Gesellen unter Zeitdruck (daher der Titel) im Rahmen der Gesellenprüfung hergestellt. Die Performance-Künstlerin Andrea Fraser hingegen geht das Thema Prostitution an (2003): sie erklärte sich bereit, eine Nacht mit einem Sammler zu verbringen, der eine Videoarbeit von ihr erstehen wollte - der Sammler erhielt - natürlich gegen Bezahlung - die Videoaufzeichnung der gemeinsam verbrachten Nacht. Eine tolle Ausstellung, die man öfter besuchen sollte, um wirklich alle Facetten aufnehmen zu können!
Mladen Stilinovic: "Artist at work", 1978
Die Ausstellung "PLAYTIME" ist noch bis zum 29. Juni 2014 im Kunstbau des Lenbachhauses zu sehen.

Die Freunde Haus der Kunst in der Archivgalerie des Haus der Kunst

Sabine Brantl mit den Freunden Haus der Kunst in der Archivgalerie 
Sabine Brantl, Historikerin und Kuratorin, und seit über zehn Jahren zuständig für das Archiv des Haus der Kunst, hat die Freunde durch die Archivgalerie und das historische Archiv geführt. Die Archivgalerie, die als interdisziplinäres Forschungs- und Ausstellungszentrum konzipiert ist, räumt mit den gängigen Vorurteilen gegenüber Archiven gehörig auf: der Besucher betritt einen hellen, luftigen und modernen Raum, der sich klar und übersichtlich präsentiert. Ein überdimensionaler Arbeitstisch (in Zusammenarbeit mit dem Künstler Martin Schmidl konzipiert), dessen Schubladen historische Bau- und Umgestaltungspläne des Haus der Kunst enthalten, ist in der Mitte des Raumes platziert. In die Tischoberfläche eingelassene Schauflächen stellen hinter Glas Originalpläne, wie den Grundriss des Haus der Kunst oder die Zeichnung von Max Ott zur Visualisierung seines Entwurfs für die Umgestaltung der ehemaligen Ehrenhalle (1956), zur Schau. 1956 wurde die Ehrenhalle komplett weiß gestrichen und gestaltet - ein erster Versuch, die Geschichte des Hauses zu überwinden. Erst 2003 wurden die vorgenommenen Einbauten wieder zurückgenommen und die Säulen von der alles bedeckenden weißen Farbe befreit. Unter dem Arbeitstisch der Archivgalerie befinden sich Fernseher, die unter anderem ein Gespräch zwischen Okwui Enwezor und dem Architekten David Chipperfield, dem die Renovierung des Haus der Kunst übertragen wurde, wiedergeben. Auf der großzügigen Tischoberfläche werden außerdem Möbel, wie der Armlehnstuhl, den Paul Ludwig Troost 1937 für den Sitzungssaal des Hauses der Deutschen Kunst entwarf, ausgestellt. An der linken Wand des Raumes ist eine chronologische Auflistung der geschichtlichen Ereignisse - von 1931 an - angebracht; Bildschirme zeigen historische Fotoaufnahmen. An der gegenüberliegenden Wand hängen ausgewählte Ausstellungs-Plakate, beginnend
Historisches Archiv
mit der Frank-Lloyd-Wright-Ausstellung im Jahre 1952, sowie Abzeichen von Einheiten der US-Armee, die aus der Zeit nach 1945 stammen, als das Haus der Kunst noch bis zum Jahre 1955 den Officers-Club beherbergte. Im Anschluss an die Führung konnten die Freunde noch das historische Archiv im Untergeschoss (eigentlich im Sockel) des Hauses besichtigen, dessen Bestände (die von der Planungszeit bis in die Gegenwart reichen) die Grundlage der Archivgalerie darstellen. Unter anderem konnte dort die erste Satzung der Freunde Haus der Kunst aus dem Jahre 1954 eingesehen werden. Der kurze Besuch im Heizungskeller des Haus der Kunst mit seinen - für das Jahr 1937 - erstaunlich modernen Regelungssystemen (so konnte die Temperatur für jeden Raum von Anfang an einzeln geregelt werden) war ebenfalls ein Highlight. Eine sehr interessante und informative Führung, von Sabine Brantl lebendig gestaltet!
Heinrich Hoffmann: Modell des "Hauses der Deutschen Kunst", Fotografie 1933

Sonntag, 4. Mai 2014

Die Ausstellung "Pool" von Joseph Zehrer in der Galerie Andreas Binder

Joseph Zehrer im Gespräch mit Dr. Eva Karcher (Future, 2014)
In der Galerie Andreas Binder sind Aquarelle, Fotografien, Skulpturen und Gemälde des in Köln lebenden Künstlers Joseph Zehrer in einer Einzelausstellung zu sehen. Joseph Zehrer lässt sich in seinen Arbeiten vom Zeitgeschehen und neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen (wie in seinem Bild "Future") inspirieren. Zudem weisen die meisten seiner Werke einen engen Bezug zur Stadt Köln auf. Für Zehrer scheint der Rhein mit seinem Silbergehalt wie ein Entwicklungsbad für Filme. Sowohl für die analoge Fotografie als auch für die Herstellung von Spiegeln ist Silber vonnöten - beide erzeugen Abbildungen der Wirklichkeit. Der Künstler greift dieses Thema in seiner "Falscher Spiegel"-Serie auf. Den Einsturz des Kölner Stadtarchivs und die sich daraus ergebende Überflutung Tausender von Büchern verarbeitet er in seinen Aquarellen, bei denen sich die Konturen der aufgequollenen Bücher zart und fast geisterhaft vor dem gestreiften Hintergrund abzeichnen. Eine poetische Arbeit! Diese Aquarelle hängen abwechselnd neben Aquarellen, auf denen leere Pools zu sehen sind - auf der einen Seite das Zuviel an Wasser, auf der anderen Seite fehlt das Wasser völlig. Dr. Eva Karcher, Kunsthistorikerin und Journalistin, hielt einen Vortrag über Zehrers Werk, gefolgt von einem fulminanten musikalischen Auftritt von Max Amling. Ein besonderer Abend mit einem interessanten Künstlergespräch!

Joseph Zehrer
Die Ausstellung ist in der Galerie Andreas Binder bis zum Samstag, den 10. Mai 2014, zu sehen.

Samstag, 3. Mai 2014

Die Freunde Haus der Kunst im Espace Culturel Louis Vuitton

Mark Dion: Concrete Jungle (The Birds), 1992
Die von Jens Hoffmann kuratierte Ausstellung im Espace Culturel mit dem Namen "No such Thing as History: Four Collections and One Artist", deren Titel mit einem Augenzwinkern an den Film "Vier Hochzeiten und ein Todesfall" erinnert, zeigt zeitgenössische Kunstwerke aus vier Münchner Privatsammlungen und aktuelle Fotografien der Berliner Künstlerin Annette Kelm (geboren 1975). Die Ausstellung behandelt die Frage, wie zeitgenössische Künstler in ihrer Arbeit mit dem Thema Geschichte umgehen. Anja Kaehny, die Direktorin des Münchner Espace Culturel, begrüßte die Freunde und übergab sie schließlich zwei - von Tino Sehgal ausgebildeten - "Interpreten", die die Freunde in zwei Gruppen durch die Ausstellung führten. Annette Kelm zeigt weiße Protestumhänge mit Aufschriften, die Frauenrechtlerinnen um die Feministin Hannelore Mabry in den 1970/80er Jahren auf Demonstrationen, unter anderem auch in München, trugen. Vor dem weißen Hintergrund kommt die Aufschrift auf den weißen Gewändern gut zur Geltung; die Botschaft wird vor dem puristischen Hintergrund besonders hervorgehoben. Zu sehen ist der "Coca Cola Condensation Cube" (2006) des dänischen Künstlers Tue Greenfort, der - in Anlehnung an Hans Haackes minimalistische Kondensationswürfel aus den 1960er Jahren - den Boden des Kubus mit Coca Cola aufgefüllt hat und diese in dem luftdicht abgeschlossenen Raum ihren physikalischen Prozessen überlässt. Bei "My Left Hand and My Left Hand Made to Look like My Right Hand" (2004) legt Jonathan Monk zwei übereinander liegende linke Hände aus Neonröhren zusammen, in der "Erwartung", dass sie zu einer rechten Hand verschmelzen. Darin schwingt der Wunsch der Künstler mit, nicht mit zwei linken Händen ausgestattet zu sein, aber auch die Idee von der "Hand des Künstlers", seiner persönlichen Schöpferkraft und Aura, eine Idee, die in der zeitgenössischen Kunst wohl immer mehr an Bedeutung verliert. Henrik Olesen liefert mit "Cubes" (after Sol LeWitt) im ersten Stock des Espace Culturel eine lässige Hommage an LeWitts weltbekannte Skulpturen, indem er filigrane Kuben mit Hilfe schmaler - mit Klebeband aneinander befestigte - Balken aus Styropor baut. Neben den hintereinander aufgereihten Kuben steht ein Milchkarton, der - wie zufällig liegen gelassen - die Strenge dieser Ordnung aufbricht. Der erste Stock wird von der Installation "Concrete Jungle" (The Birds, 1992) des Künstlers Mark Dion dominiert, bei der Vögel in einem großen Haufen Zivilisationsmüll picken. Der Titel erinnert an Hitcocks Film, bei dem Vögel eine Bedrohung für die Menschen darstellen - hier handelt es sich um die Umkehrung dieser Situation: der Müll der Menschen stellt eine widrige Umwelt für die Vögel dar. Kris Martins "Endpoint of Het Achterhuis" (Anne Frank's diary, 2006) ist auch die letzte Station der Führung. Martin hat den Schlusspunkt aus dem "Tagebuch der Anne Frank" ausgeschnitten und gerahmt. Das Blatt ist bis auf seinen feinen handschriftlichen Verweis auf das Buch der Anne Frank und den mittig platzierten Punkt leer. Eine unbedingt zu empfehlende Ausstellung, bei der die Führung selbst auch ein Kunstwerk darstellt. Die Tino-Sehgal-Interpreten überraschen die Besucher mit einer "konstruierten Situation",  die an dieser Stelle natürlich nicht verraten werden darf. Ein Tipp: Unbedingt die Führung in Anspruch nehmen, sie dauert etwa eine halbe Stunde, ist kostenlos und wartet mit Überraschungen auf.

Die Ausstellung ist im Espace Louis Vuitton München, Maximilianstr. 2a, 80539 München, bis zum 8. August zu sehen.