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Mittwoch, 14. Mai 2014

Führung mit Matthias Mühling durch seine PLAYTIME-Ausstellung im Kunstbau des Lenbachhauses


Matthias Mühling bei der Führung durch "PLAYTIME"
Wenn Matthias Mühling, der neue Direktor des Lenbachhauses, durch eine Ausstellung führt, dann ist die Führung nicht nur informativ, sondern macht auch sehr viel Spaß! Die Ausstellung "PLAYTIME", deren Titel an den gleichnamigen Film von Jacques Tati und an dessen feinsinnige Kritik an der Arbeitswelt erinnert, stellt das Thema Arbeit in den Mittelpunkt. Sie geht unter anderem der Frage nach, wie sich Künstler unterschiedlicher Generationen mit dem Thema Arbeit auseinandersetzen und was künstlerisches Arbeiten heutzutage bedeutet. Matthias Mühling hat sich für seine erste Ausstellung bewusst keine "Midcareer-Retrospective" ausgesucht, sondern wollte ein in unserer Zeit zentrales Thema - nämlich Arbeit - von vielen Seiten, ihren ernsten und z.T. auch unterhaltsamen Facetten beleuchten. Kunst, die sich mit Arbeit beschäftigt, hat immer auch einen voyeuristischen Aspekt - Matthias Mühling verweist in diesem Zusammenhang auf "Die Büglerin" von Edgar Degas (1869). Stand im Zuge der Industrialisierung noch der ausbeutende Aspekt der Arbeit im Vordergrund - die Entfremdung des Menschen von seiner Arbeit, wie in einer Filmsequenz von Charlie Chaplin dargestellt - dient Arbeit heute zunehmend der individuellen Selbstverwirklichung und führt damit vielleicht auch zu einer stärkeren Selbstausbeutung. Ist die starke Identifikation mit dem Beruf vielleicht eine höhere Form der Ausbeutung? Die vier großformatigen Fotografien von Sharon Lockhart zeigen den Aufbau einer Ausstellung und die damit verbundenen Mühen. In die Fotos mit aufgenommen und erst auf einen zweiten Blick erkennbar sind zwei Statuen von Duane Hanson, die höchstens dadurch auffallen, dass sie sich auf keinem der Bilder bewegen. Eine fertige Ausstellung hat viel Arbeit gemacht - dies ist für den Betrachter jedoch nicht sichtbar - ebensowenig wie bei den Kunstwerken von Michelangelo und van Eyck, die aufwändig in der Herstellung waren - der Pinselstrich (und damit die Mühe) ist für den Betrachter kaum sichtbar. Jörg Immendorf ist mit relativ unbekannten Zeichnungen vertreten, mit denen er 1976 Bertolt Brechts Gedicht "Fragen eines lesenden Arbeiters" (1935) bebildert hat. Die Fotoserie von Mladen Stilinovic: "Artist at Work" (1978) spielt mit dem Klischée des faulen Künstlers. Der Künstler ist bei hellichtem Tage im Bett zu sehen, mal blickt er grüblerisch auf, mal dreht er sich zur Seite und schläft. Neben der Tatsache, dass es schwierig ist, die Arbeit eines Künstlers zu quantifizieren - der Künstler könnte ja auch über seine Arbeit nachdenken oder grübeln - verweist die Fotoreihe auch auf die gefühlte Verzweiflung aufgrund einer eingeschränkten Entfaltungsfreiheit der Kunst im sozialistischen Jugoslawien. Jeder der vertretenen Künstler greift einen spezifischen, interessanten Aspekt der Arbeit heraus: Julian Röder behandelt die Frage von Arbeits-Uniformen; neben offiziellen Uniformen gibt es auch inoffizielle Uniformen, die uns als Teil einer bestimmten Arbeits- und Lebenswelt erscheinen lassen (wie die vor einigen Jahren beliebten "Maison-Martin-Margiela-Uniformen" von Mitarbeitern des Kunstbetriebs, wie Matthias Mühling mit einem Augenzwinkern ausführt). Monica Bonvicini kritisiert mit "7:30 HRS" (1999), die Tatsache, dass eine Arbeit umso weniger wert sei, je körperlicher sie ist. Ihre ausgestellten Skulpturen könnten dem Anschein nach Sol-LeWitt-Skulpturen sein, wurden jedoch von Maurer-Gesellen unter Zeitdruck (daher der Titel) im Rahmen der Gesellenprüfung hergestellt. Die Performance-Künstlerin Andrea Fraser hingegen geht das Thema Prostitution an (2003): sie erklärte sich bereit, eine Nacht mit einem Sammler zu verbringen, der eine Videoarbeit von ihr erstehen wollte - der Sammler erhielt - natürlich gegen Bezahlung - die Videoaufzeichnung der gemeinsam verbrachten Nacht. Eine tolle Ausstellung, die man öfter besuchen sollte, um wirklich alle Facetten aufnehmen zu können!
Mladen Stilinovic: "Artist at work", 1978
Die Ausstellung "PLAYTIME" ist noch bis zum 29. Juni 2014 im Kunstbau des Lenbachhauses zu sehen.

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