Seiten

Dienstag, 15. Oktober 2013

Die Ballade vom traurigen Café im RESIDENZTHEATER


Die Ballade vom traurigen Café spielt in einer trostlosen Kleinstadt in den Südstaaten der USA. Regisseur Walter Meierjohann lässt auf der Bühne und am Bühnenrand verteilt Grasbüschel wachsen, die den Eindruck dieser Trostlosigkeit noch verstärken.
Jeden Abend nach der Arbeit versammeln sich einige Bürger der Stadt - jene, die Whiskey trinken wollen - vor Miss Amelia Evans´ (Juliane Köhler) Haus und warten auf die frische Lieferung aus der Brennerei. Miss Amelia ist eine herbe und wortkarge Frau, die ihre „Gäste“ nie ins Haus hineinbittet und sie auf der Straße trinken lässt. Eines Tages taucht ein kleiner, buckliger Mann (hervorragend in dieser Rolle: Markus Hering) in dem Ort auf und behauptet, der Vetter von Amelia zu sein. Sehr zum Erstaunen aller nimmt sie ihn auf und lässt sich auf eine Beziehung mit ihm ein. Durch Vetter Lymon verwandelt sich das Erdgeschoss von Amelias Haus in ein Café, in dem unter der Woche, vor allem aber am Wochenende, das Leben pulsiert. Wer die Romane, Novellen und Kurzgeschichten von Carson McCullers kennt, ahnt schon, dass ihre Freude nicht lange währen kann. Miss Amelias Ehemann Marvin Macy – ein Gauner und Frauenheld, der sich zwei Jahre lang vor der Hochzeit nichts mehr zuschulden kommen ließ, nur um Miss Amelia zu gefallen und sie zu einer Heirat zu bewegen – wird aus dem Gefängnis vorzeitig entlassen. Er möchte sich an ihr rächen, weil sie ihn nicht als Ehemann anerkannt, ihn aus dem gemeinsamen Schlafzimmer vertrieben und ihm das Leben zur Hölle gemacht hat. Nach nur zehn Tagen Ehe hat sie ihn hinausgeworfen, obwohl er bereit war, alles für sie zu tun. Vetter Lymon, der nichts von dem Ehemann wusste, erweckt zunächst den Eindruck, zwischen beiden vermitteln zu wollen. Die Situation spitzt sich zu und schließlich kommt es zu einer körperlichen Auseinandersetzung zwischen Marvin und Miss Amelia. Mehr möchte ich an dieser Stelle nicht verraten, um die Spannung zu erhalten, gleichwohl man ein trauriges Ende aufgrund des Titels des Stücks ja erwartet. Dennoch gibt es einige Überraschungsmomente, vor allem was die Loyalität und Liebesfähigkeit der Akteure betrifft. August Zirner tritt als Erzähler der Geschichte auf, er erzählt sie ruhig, fast in einem erzählerischen Plauderton, der ihrer Dramatik gänzlich entgegensteht. Juliane Köhler spielt die wortkarge, androgyne und männlich anmutende Miss Amelia hervorragend. Markus Herings beeindruckendes Schauspiel ist gleichzeitig  ein körperlicher Kraftakt: er stellt den buckligen Vetter Lymon unter Einsatz seines ganzen Körpers dar: er hält sich schief und seine Beine sind die ganze Zeit über gekrümmt. Ein sehenswertes Stück, bei dem man am Ende noch etwas bedrückt sitzen bleiben und es nachwirken lassen möchte!

1 Kommentar:

  1. Ich war an diesem Abend mit Heinke im Residenztheater und kann ihr nur voll zustimmen. Noch am nächsten Tag war ich emotional von dem Stück gefangen. Dank der musikalischen Untermalung und einiger heiterer Szenen hat das Stück überhaupt keine Längen und ist nur zu empfehlen.

    AntwortenLöschen